Zyklus Sammelsurium 2024–2025
Die ersten Schmetterlinge tauchen 2013 im Werk von Thomas Gatzemeier auf – zunächst als Teil lyrischer Kompositionen, die sich um die Sinnlichkeit der Frau drehen.
Diese frühen Werke verbinden Naturmotive mit der figürlichen Malerei, ein Spannungsfeld, das Gatzemeier seit Jahrzehnten fasziniert.
Doch die Schmetterlinge waren nur ein erster Vorbote einer künstlerischen Auseinandersetzung, die sich zu einem eigenständigen Zyklus entwickeln sollte: **„Sammelsurium“**, dessen Anfänge im Jahr 2014 liegen und das der Künstler bis heute weiterführt.
Ein wesentlicher Impuls für diesen Zyklus war Gatzemeiers Vertrautheit mit den Naturdarstellungen von Maria Sibylla Merian.
Ihre präzisen und zugleich poetischen Darstellungen von Insekten und Pflanzen, die bereits im 17. Jahrhundert das Verhältnis von Kunst und Wissenschaft neu definierten, waren ihm aus seiner Kindheit durch Reproduktionen bekannt.
Doch der Besuch einer Ausstellung mit Werken der Künstlerin im Frankfurter Städel Museum vertiefte seine Auseinandersetzung mit ihrer Arbeit und inspirierte ihn, seine eigene Bildsprache im Spannungsfeld zwischen Naturbeobachtung und malerischer Interpretation zu entwickeln.
Der Zyklus Sammelsurium und seine Prinzipien
Bis heute umfasst der Zyklus rund 100 Blätter, die sich mit Pflanzen, Tieren und Früchten befassen – ein „Sammelsurium“ im besten Sinne, das die Vielfalt und Eigenlogik der Natur widerspiegelt. In den letzten Jahren bevölkerten zunehmend auch Vögel die Blätter, die sich durch ein markantes Merkmal auszeichnen: Alle Werke entstehen auf historischem Kontopapier aus der Zeit um 1900.
Dieser bewusste Rückgriff auf altes, bereits beschriftetes Papier gibt dem Zyklus eine zusätzliche Dimension: Es sind Palimpseste, Arbeiten also, die eine bestehende, oft verborgene Bedeutungsebene enthalten und überlagern. Diese historischen Papiere faszinieren nicht nur durch ihre haptische Qualität, ihre Patina und den ästhetischen Reiz ihrer Schriftzüge, sondern sie bergen auch eine philosophische Reflexion.
Denn die alten Buchhaltungsbögen erzählen von einer Welt der Zahlen, der Bilanzen und des materiellen Solls und Habens.
Gatzemeier überführt diese ökonomische Ordnung in eine ganz andere, organische Logik: die Natur selbst, die sich nicht nach wirtschaftlichen Prinzipien richtet, sondern nach ihren eigenen Zyklen des Werdens und Vergehens. Damit verweist der Zyklus auch auf eine tiefere Wahrheit: **Unser Handeln hat immer Auswirkungen auf die Natur. Nichts existiert isoliert. Alles ist miteinander verwoben.
Gatzemeier – der Zyklus Sammelsurium in Bezug zu Naturdarstellungen in der Kunstgeschichte
Die künstlerische Auseinandersetzung mit der Natur hat eine lange Tradition, die von der wissenschaftlichen Illustration bis zur expressiven Landschaftsmalerei reicht. Bereits in der Renaissance fanden sich Naturstudien, die detailgetreu Pflanzen und Tiere abbildeten, oft mit einem symbolischen Gehalt. Maria Sibylla Merian verband im 17. Jahrhundert erstmals naturwissenschaftliche Genauigkeit mit ästhetischer Gestaltung und prägte damit die visuelle Wahrnehmung der Natur für kommende Generationen.
In der Zeit der Romantik gewann die Naturdarstellung eine metaphysische Dimension: Caspar David Friedrich inszenierte Landschaften als Spiegel innerer Seelenzustände. Die Moderne schließlich löste sich oft von der reinen Wiedergabe zugunsten abstrahierter Formen und emotionaler Farbwelten.
Gatzemeier – der Zyklus Sammelsurium
Diese Arbeiten bewegen sich im Spannungsfeld zwischen präziser Naturbeobachtung und freier künstlerischer Interpretation.
Die Kombination aus historischem Trägermaterial und lebendigen, farbintensiven Darstellungen schafft einen faszinierenden Kontrast zwischen Vergangenheit und Gegenwart – zwischen buchhalterischer Ordnung und der unbändigen Vielfalt des Lebens.
Weiteres über – Thomas Gatzemeier – der Zyklus Sammelsurium – und welche Hintergründe noch zu dessen Entstehung führten, lesen Sie in dem Beitrag „Lukrative Selbstzensur„.